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Braucht der Kreis Pinneberg eine Babyklappe?


Braucht der Kreis Pinneberg eine Babyklappe?

Die Berichte über den ausgesetzten Säugling Paul haben auch im Kreis Pinneberg die Forderung nach der Einrichtung einer Babyklappe an einem der Kreiskrankenhäuser wachgerufen. Dieser Gedanke ist vor dem Hintergrund der dramatischen Umstände einer Kindesaussetzung nachvollziehbar. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass es bessere Lösungen für diese Problematik gibt.

Die Geschichte der Babyklappen ist uralt. In Zeiten von Hungersnöten und extremer Armut konnten Frauen ihrem Säugling dadurch die Chance zum Überleben vergrößern. Die Standorte von Babyklappen waren damals Klöster und andere kirchliche Einrichtungen. Heutzutage existieren in Deutschland ca. 50-70 Babyklappen, in Hamburg wurde die erste Babyklappe im April 2000 eröffnet. Babyklappen werden zur Zeit rechtlich geduldet, da es für sie bisher keine gesetzliche Grundlage gibt.

Die Befürworter von Babyklappen sind der Meinung, dass dadurch die Aussetzung und Tötung von Säuglingen verhindert werden kann. Sie wollen dem Kind ein Recht auf Leben sichern. Die vorliegenden Zahlen belegen, dass dieses Ziel nicht erreicht wird. In Hamburg ging die Zahl der Kindesaussetzungen trotz genutzter Babyklappe nicht zurück. Bundesweit wurden in 2000 und 2001 jeweils 17 Säuglinge getötet bzw. starben in Folge der Aussetzung, in 2002 waren es 20. Lebend ausgesetzt wurden in den vergangenen Jahren hingegen jeweils nur 14 Säuglinge (Quelle: Pressemitteilung des Bundes der Hebammen vom August 2003). Trotz Babyklappen werden also weiterhin Neugeborene getötet oder ausgesetzt.

Es gibt bisher wenig Informationen über die wirklichen Motive von Frauen, die sie dazu bewegen, ihre Säuglinge in die Babyklappe zu legen. Kritiker wie Terre des Hommes sagen, dass bei der Abgabe des Kindes in einer Babyklappe prinzipiell nicht festzustellen ist, ob die Abgabe des Kindes dem freien Willen der Mutter entspricht oder auf Druck von Ehepartnern, Familie oder Dritten geschieht. Die völlige Anonymität lädt zu Missbrauch ein. Mögliche Straftäter wie z.B. Vergewaltiger gehen unter Umständen straffrei aus.

Größter Kritikpunkt an den Babyklappen ist jedoch, dass das Grundrecht des dort abgegebenen Kindes auf Kenntnis seiner Wurzeln missachtet wird. Das Kind wird zu einem herkunftslosen Findelkind gemacht. Das hat weitreichende Folgen für die psychische Entwicklung des Kindes. Es bleibt lebenslang auf Spurensuche und entwickelt in der Regel starke Identitätskonflikte, da die erste Erfahrung in seinem Leben eine psychische Abtreibung war. Es ist daher für Adoptiveltern von Findelkindern besonders schwierig, ihnen ein positives Lebensbild zu vermitteln.

Wissenschaftliche Untersuchungen im Adoptionsbereich haben außerdem ergeben, dass die Nutzung einer Babyklappe auch für die abgebenden Mütter nur eine kurzfristige Krisenintervention darstellt und langfristig schwerwiegende Folgen hat. Sie stehen durch die Geheimhaltung häufig ein Leben lang unter großem psychischen Druck, woraus sie als letzten Ausweg für sich nicht selten nur den Suizid sehen.

In der Adoptionsvermittlungsstelle des Kreises Pinneberg wurde langfristig die Erfahrung gemacht, dass die abgebenden Eltern als auch die adoptierten Kinder mit ihrer Lebenssituation besser zurecht kamen, wenn sie gut beraten und informiert wurden und möglichst viele Mitwirkungsmöglichkeiten im gesamten Prozess hatten. So erfahren Adoptivkinder schon früh, dass sie 2 Elternpaare haben - ein soziales und eine biologisches. Und auch die leiblichen Eltern können sich - auch noch nach Jahren - über die Entwicklung ihrer Kinder informieren, wovon häufig Gebrauch gemacht wird.

Alternativ zur Einrichtung einer Babyklappe könnte es sinnvoll sein, die Kosten in den Ausbau der bereits vorhandenen Jugendhilfe-Angebote und weitere Aufklärungsarbeit zu investieren. Vielen der betroffenen Frauen waren Hilfsangebote wie Mutter-Kind-Einrichtungen, Sozialpädagogische Familienhilfe oder Adoption kaum oder gar nicht bekannt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Babyklappe im Kreis Pinneberg aus fachlicher Sicht des Jugendamtes nicht für erforderlich gehalten wird. Die Einrichtung einer Babyklappe suggeriert eine scheinbare Lösung für die seelische Notlage der Mütter, die aber langfristig dadurch nicht gelindert, sondern eher verstärkt wird. Außerdem ist nach den Erfahrungen in anderen Städten und Kreisen nicht zu erwarten, dass durch eine Babyklappe zukünftige Säuglingsaussetzungen und -tötungen verhindert werden.

 
Pressemitteilung vom 01.12.2003

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